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Ackerobstkultur: ehemals Tradition – jetzt eine Zukunftsvision

Inspirationen aus der Vergangenheit sind Anregungen für Versuche des gemeinsamen Anbaues von Obst-/Nutzhölzern und verschiedenen Feldfrüchten auf Äckern

Streuobst in der Historie verankert

Auf dem hessischen Dottenfelder Hof gab es früher die sogenannte eiserne Pacht. Das waren 1.000 Apfel-Hochstammbäume. Während der Pachtzeit ausgefallene Bäume wurden stetig ersetzt, sodass zum Ende der Pachtzeit die festgelegte Bestandszahl durch Neupflanzungen erhalten blieb. Unter den Hochstammanlagen wuchsen Raps, Roggen oder Kartoffeln. Es waren quasi Baumacker. Die Leitäste begannen erst in einer Höhe von 1,80 m, damit darunter die Bodenbearbeitung erfolgen konnte. Diese alten Hochstammkulturen wurden ab den 1950er-Jahren deutschlandweit zunehmend durch Niederstämme verdrängt. Und unter den Bäumen säten die Obstbauern meist Dauergrünland ein. Damit entfiel das Pflügen unter den Bäumen, was die Wurzeln dazu erzieht, mehr in die Tiefe zu wachsen, und damit die Bäume widerstandsfähiger gegen Trockenheit und auch starkwüchsiger macht.

Neuentdeckung der Agroforstwirtschaft

In den letzten Jahren bemüht sich die sogenannte Agroforstwirtschaft um eine neue Form der naturverträglichen und trotzdem ökonomischwirtschaftlichen Landwirtschaft und bezieht dabei auch den Obstbau mit ein. Baumobstbau muss in langen Zeiträumen gedacht werden. 2020 entstanden in der Umgebung von Bad Vilbel verschiedene Agroforstparzellen. Sie verbinden künftig großkronige Solitärbäume auf Ackerflächen im Anbau mit landwirtschaftlichen Kulturen und einem vielfältigen Blühangebot. Das schafft Voraussetzungen für die Entstehung eines eigenen Kleinklimas, mindert und verhindert Bodenerosion, bindet Humus im Boden und CO2 im Baumholz, reguliert den Wasserhaushalt und fördert die Artenvielfalt. Bis die Obstbäume erste Früchte tragen, wird es noch mehrere Jahre dauern, aber ein Anfang ist gemacht.

Vom Obstbaum bis zum Nutzholz

Welche Bäume gepflanzt werden, entscheidet über die spätere Nutzung. Früchte von Obstbäumen lassen sich vielfältig verarbeiten, auch Wildobst wie Holunder oder Schlehen lassen sich integrieren. Nutzhölzer wie Walnuss, Linde oder Feldahorn lassen sich in Schreinereien verarbeiten. Energiehölzer wie Pappeln oder Weiden sind langjährige, mehrfach nutzbare Kurzumtriebsanlagen. Und aus Schalenfrüchten wie Hasel- und Walnuss lassen sich neben der Nuss auch Öle gewinnen.
An dieser neuen Form der Bewirtschaftung zeigen sich Landwirte und Obstbauern durchaus interessiert, doch das behördliche Antragswesen in der EU-Agrarpolitik hemmt experimentierfreudige Nachahmungsversuche enorm.

Quelle: Lebendige Erde, 1-2021